Ob in der Loipe, am Mikrophon, am Herd – Sympathikus Erik Lesser
Manchmal stecken sogenannte Sportgene in der Familien-DNA. Da kann es Ansporn sein, wenn der Opa als Skilangläufer an drei Olympischen Spielen teilgenommen hat. Dann braucht´s Lust, viel Ausdauer und eisernen Willen. Denn, egal wer welchen Sport betreibt, möchte bei Höhepunkten auf dem Podest stehen. Wenn die Leistungen topp sind, steht einem Start für das Nationalteam Deutschland so gut wie nichts im Wege. Wenn dann Erfolge zu Buche stehen wie Weltmeister, Olympia-Medaillen-Gewinner und Weltcupsieger kann von einer beeindruckenden Karriere gesprochen werden. Das Karriereende konnte kaum besser verlaufen. Am 19. März 2022 Sieg in der Verfolgung am legendären Osloer Holmenkollen und die anschließende Audienz beim norwegischen König Harald an der Wiege des nordischen Skisports. Tags darauf folgte noch ein 4. Platz im Massenstart, dem nach zehn Jahren Leistungssport absolut letzten Wettkampf von Erik Lesser. Nach einer AOK PLUS-Kochshow gab´s viel zu bereden.
Hier musste etwas aus Kürbis, Bio-Hähnchen und Quitte gezaubert werden. Was sind Lieblingsgerichte zu Hause und im Restaurant?
Lesser: Zu Hause variiere ich gern mit Lasagne und wenn ich essen gehe, dann gern auch mal etwas Ausgefallenes.
In der AOK PLUS-Kochshow musste ein 3-Gänge-Menü, ähnlich dem Biathlon-Dreikampf von Einzel, Sprint, Verfolgung, zubereitet werden – allerdings mit Zeitvorgabe! Wäre das mal eine Idee, einen Wettkampf mit Zeitvorgabe oder Zeitlimit ins Leben zu rufen?
Lesser: Bow eh, was für ´ne Idee. Klingt zunächst interessant. Der Modus wäre die Frage und ob´s dem Zuschauer gefällt, wenn er in dem Sinne keine Ziellinie, keinen unmittelbaren Sieger hat.
Seit der Wintersaison 2022/23 ist ein nahtloser Übergang in die TV-Welt als TV-Experte erfolgt. Wer hat bei wem nachgefragt?
Lesser: Die TV-Sender setzen bei Co-Kommentatoren mehr und mehr auf ehemalige Sportler. Da haben sie mich gefragt und ich hab´ sofort zugesagt.
Auch weil ein früherer eigener Satz lautete: „Natürlich habe ich in der Vergangenheit die Biathlon-Berichterstattung kritisch verfolgt.“ Was war denn d a s Kritische?
Lesser: Das war nicht unbedingt negativ gemeint. Eher aus der Sicht, dass es für den Zuschauer gewinnbringender passiert, nicht immer wieder das Einmaleins erklärt wird.
Seit Mai 2023 als Schießtrainer am Bundesstützpunkt in Oberhof tätig. Kommen alle seitdem zu Erik, doch auch mal die Frauen oder nur die „Ossis“?
Lesser: (lacht) Letzteres will ich nicht näher erläutern. Frauen? Ich war für die Männer zuständig. Und richtig „war“! Ab diesem Winter wird das Schießtraining ohne mich absolviert.
Dann gilt die einst getätigte Aussage: „Mein Ziel ist es, unverletzt und aus freien Stücken meine sportliche Karriere beenden zu können. Danach Abschluss des Trainerstudiums und Betreuung von jungen Athleten.“?
Lesser: Genau. Das erste hat gut geklappt. Und nun konzentriere ich mich auf die zwölf Kids in „meiner“ Biathlonklasse am Sportgymnasium. Das macht Riesenspaß und ich bin mir sicher: Wenn einige richtig am Ball bleiben, wird von diesen in den kommenden Jahren zu hören sein.
Bleibt noch die Frage nach dem Diplom an der Trainerakademie Köln des DOSB?
Lesser: Bestanden. (Pause) Gut bestanden.
Welchen Wert hat diese höchste Trainerlizenz im reellen Alltag?
Lesser: Dieses Diplom ist international sehr hoch angesehen und setzt den i-Punkt auf ein im besten Fall gutes vorher als Aktiver erarbeitetes Image.
Biathlon ist Laufen und das oft entscheidende Schießen gegen Zeit, Wind und Puls. Wie ist letzterer am besten beherrschbar?
Lesser: Durch spezielles Training, in seinen Körper hineinfühlen zu lernen, pulstaktisch zu laufen.
Das Drehen z.B. um eine Raste verschiebt das Trefferbild um rund 3 Millimeter. Wer hat derart Adleraugen, das auf 50 Meter Entfernung zu erkennen – oder ist´s doch eher Gefühls- und Glückssache?
Lesser: Eine Rast drehen lohnt sich überhaupt nicht! Unterm Strich ist es wirklich die Erfahrung, das Verhalten der Windfähnchen richtig einschätzen zu können, meteorologisch gesehen ein kleiner Wetterfrosch zu sein.
„Biathlon ist Laufen und Schießen. Laufen geht auch zu Fuß. Schießen auch mit Pfeil und Bogen“ lautet eine Lesser-Aussage hinsichtlich der Umweltbelastung des Biathlons. Wie umweltbewusst muss er sich verändern?
Lesser: Aufgrund des Klimawandels ist das Biathlon, ausgenommen im ganz hohen Norden, fast zu einem „Sommerwettkampf“ geworden. Es fehlen die richtigen Winter. Also müssen im Sinne dieses Sports akzeptable Alternativen her, wie Rollerski oder Laserwaffen.
Bei der Kochshow beurteilte eine Jury die Ergebnisse. Du warst Jury-Mitglied für die Wahl zum Sportler des Jahres in Thüringen, meintest allerdings: „Ich habe doch keine Ahnung.“ Du warst aber 2015 selbst Thüringens Sportler des Jahres. Was sind deine Kriterien für eine derartige Ehrung?
Lesser: Logisch sollte sie oder er Thüringer sein, im Vergleich zu Aufwand und Konkurrenz entsprechende Erfolge vorweisen können und der Erfolg keine Eintagsfliege sein.
Apropos Ehrung. Ein Medaillenplatz ist derzeit zu Hause verwaist und wird erst später wieder mit nachträglichem Staffel-Gold aus Sotschi aufgefüllt. Profan gefragt: Was können Sportler für die „große Politik“ ihrer Staatsoberhäupter? Sollten sie wie die Russen disqualifiziert werden?
Lesser: Jeder Athlet steht im Nationaldress auch für ein System. Wer den Weltcup als NATO-Cup diskriminiert, dort aber mitmachen will, hat dort nichts zu suchen! Basta!
Mit wohl schon drei auf Skiern gestanden. Später dabeigeblieben, weil´s in diesem Sport und dem Schießen, außer 2019 einem Schlüsselbeinbruch, keine größeren Risiken für ernsthaftere Verletzungen gab / gibt?
Lesser: Ja, in dieser Hinsicht eine sehr humane Sportart. Sieht man mal von der enorm intensiven Trainingsbelastung von vier und mehr Stunden täglich ab. Das Schießtraining ist dabei noch außen vor.
Training ist ein gutes Stichwort. Immer noch Hobby-Fußballer und -Gitarrist? Welche Alte-Herren-Fußball-Elf freut sich auf Erik auf welcher Position und sind die Saiten der Gitarre gestimmt?
Lesser: Fußballspielen, da macht mein Knie nicht mehr mit. Ansonsten war ich da im Mittelfeld oder als Rechtsaußen gern unterwegs. Und Gitarre gespielt habe ich eine Dekade nicht, in Jahren! Mein Hobby ist jetzt meine Familie, die in meiner aktiven Zeit so oft hinten dran stehen musste.
Zum Abschluss noch zwei Fachfragen. Die Trefferquote der deutschen Männer wird bei Olympia in Antholz…
Lesser: Genau! (lacht) Die Frauen schon mal wegen der meist besseren Trefferquote rausgenommen. Also: In der Staffel höchstens vier Nachlader und mindestens zwei müssen neunzig Prozent bringen. In den drei Einzelwettbewerben… Tagesform bei über neunzig Prozent.
Die deutschen Biathleten holen warum wie viele Medaillen?
Lesser: Beide Staffeln, in der Mix und Franzi – also vier.
Dann viel Spaß und Erfolg mit der Biathlon-Klasse und dass die Olympiavorhersage in Erfüllung gehen möge.


