„Es kann und sollte auch ohne mich weitergehen!“
Mittlerweile ist die Stern-Combo Meißen die dienstälteste, sich stets personell verjüngende und noch aktive Band aus der DDR-Rock-Ära. Genauer: Aus der Artrock-Szene. 1964 gegründet, orientierte sich die Band in ihrem musikalischen Wirken zunächst an Bands, die ihre Fans nur aus dem Radio kannten, wie Blood, Sweat & Tears, Emerson, Lake & Palmer, Pink Floyd, Genesis und Yes. Zunehmend fand die Band aus der berühmtesten Porzellan-Stadt des Ostens zu einem eigenen Stil. Es entstanden unvergessene und bis heute solch konzeptionell angelegte Werk wie „Der Kampf um den Südpol“ oder „Weißes Gold“. Aber auch klassische Werke wurden verarbeitet wie „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ oder „Rhapsody in Blue“. Von unzähligen Hits ganz zu schweigen. Das alles seither unter der Leitung von Martin Schreier. Mit Standing Ovation während eines faszinierenden Live-Konzerts im Gasometer Zwickau gefeiert, gab er vor diesem ein aufschlussreiches Interview.
Wie warum auf die Idee gekommen, 1964 eine Band zu gründen?
Schreier: Bereits in der 9. Klasse hatte ich eine Schülerband gegründet und wollte, inspiriert von der internationalen Musik und deren Vielfalt, diese Musik auch hierzulande auf Tanzsälen spielen.
Erst später im Abendstudium an der Musikhochschule in Dresden was genau studiert?
Schreier: Um professionell Musik machen zu dürfen, brauchte es in der DDR eine „Lizenz-Pappe“ (lacht). Ganz am Anfang hab´ ich Klarinette gespielt. Mich reizte allerdings mehr und mehr das Schlagzeug. Also habe ich genau das studiert. Na ja, und Klavier war sowieso Pflichtfach.
Meißner Porzellan war zu DDR-Zeiten unter anderen eine beliebte Währung, um damit einiges an Technik zu erwerben, die es hierzulande nicht gab. Wie viel „alte Technik“ steht davon heute noch auf der Bühne?
Schreier: Nichts mehr! Wie viele andere Ost-Gruppen hat sich auch die Stern-Combo nach der Wende aufgelöst. Ich habe dann die Technik komplett verkauft. Und für die heutigen Ansprüche wäre die damals als super geltende Technik nicht zeitgemäß.
Diese Technik ermöglichte allerdings den damals einmaligen Effekt der Quadrophonie. Arbeitet Stern auch heute noch damit?
Schreier: Nein. Der Aufwand wäre viel zu groß, stünde in keinem Verhältnis zu den Auftritten.
Mal an ein Konzert mit noch aktiven Ehemaligen aus den 70ern gedacht, mit Veronika Fischer (wie 2002), Peter Rasym, Uwe Hassbecker, Marek Arnold oder dem / einem Bläsertrio?
Schreier: Jain, nicht mit diesen. Aber zum Konzert anlässlich 60 Jahre Bandjubiläum waren zum Beispiel Saxophonist Andreas Bicking, Michael Behm an den Drums und Lothar Kramer an den Tasten dabei.
Stichwort Ehemalige: Gibt´s einen Konzertteil, in dem u.a. an einst prägende und leider bereits verstorbene Mitglieder wie die Sänger Reinhard Fißler und Ralf Schmidt alias IC Falkenberg oder Musiker wie Norbert Jäger und Thomas Kurzhals erinnert wird?
Schreier: Wir vergessen nicht, welchen Einfluss benannte Musiker für die Band hatten und erinnern regelmäßig an sie, spielen in Gedenken an sie entsprechende Titel.
Sind weitere größere Adaptions-Werke beziehungsweise Gesamtwerke wie „Der Kampf um den Südpol“ oder „Weißes Gold“ geplant?
Schreier: Ich denke, das ist uns mit „Die Himmelsscheibe von Nebra“ ganz gut gelungen. Ob weitere folgen? Mal sehen.
Stern Meißen ist weiterhin mit dem „Sachsendreier“ on Tour. Neben Lift stehen nun anstelle der 2015 aufgelösten electra die Kultrocker von Karussell mit auf der Bühne. Warum nicht Crazy Birds, die mit Ecki Lipske und Andreas „Bruno“ Leuschner sogar Ex-electras in ihren Reihen haben und als insgeheime electra-Nachfolger gelten?
Schreier: Ich fand damals, dass die Jungs von Karussell insgesamt authentischer sind, also alle „echt“ sind. Und es ist auch eine ur-sächsische Band.
Jetzt nach über 60 Jahren Bandgeschichte mit Rückblick mal daran gedacht, Ur-Vorbilder wie Blood, Sweat & Tears, Emerson, Pink Floyd oder Genesis gefeatured von Stern als Konzert zu machen?
Schreier: Nein. Davon hat Stern ausreichend in den 60er und 70er gemacht. Dann hat Stern einen Schlussstrich gezogen. Wir hatten / haben längst unseren eigenen Stil gefunden, der auch noch bis in die Gegenwart beim Publikum gut ankommt.
Apropos 70er: Wie sind die eigenen Erinnerungen an das wohl schöpferischste Jahrzehnt der DDR-Ostrock-Geschichte?
Schreier: Es wurde von sehr gut ausgebildeten Leuten viel und überwiegend wirklich auf hohem musikalischen Niveau experimentiert, Klassik adaptiert… Drum sind ja viele Titel auch noch heute im jeweiligen, auch unserem Repertoire.
Und darum werden die „Ostrock“-Hits heute noch in Konzerten regelrecht gefordert?
Schreier: Ja, die vorherige Antwort gilt auch hier und weil überwiegend das Publikum von damals zu den Konzerten kommt. Allein wir könnten gute fünfzehn Stunden derart füllen.
Warum eigentlich selbst die Drumsticks aus der Hand gelegt?
Schreier: Das geschah schon mit etwas Wehmut. Aber als Chef der ganzen Sache war es der Zeit und notwendigen Qualität anderer wichtiger Dinge wie des Managements geschuldet. Also habe ich einen Drummer eingestellt.
Und später ein gutes Händchen gehabt mit Manuel Schmid als Sänger?
Schreier: Ja, ein wahrer Glücksgriff, der uns auch qualitativ weitergebracht hat. Er ist bestes Beispiel, wie junges Blut die Band positiv beeinflussen kann. Denn mit Michael Lehrmann, Axel Schäfer, Frank Schirmer und mir stehen Leute auf der Bühne, die bereits seit vierzig Jahren zusammen Musik machen.
Wie lange können die Fans noch mit Stern auf der Bühne rechnen?
Schreier: Für 2026 sind bereits vierzig Konzerte geplant. Und so lange wir als Band und das Publikum Spaß haben… es sind keine Grenzen gesetzt.
Und wenn Martin Schreier mit nunmehr 77 Jahren irgendwann nicht mehr auf der Bühne stehen möchte…
Schreier: Dann hat Martin Schreier nichts dagegen, wenn es auch ohne ihn mit Stern-Combo Meißen weitergeht.
Dann den Sternen aus Meißen noch ein „langes Funkeln“ auf den Bühnen des Landes.
Mehr zum Konzert im Gasometer unter zwickau2000.de


