Andris Šics, Technischer Direktor der FIL, zu Olympia 2026
Für Interessierte des Rodelsports wird der Name Šics noch in Erinnerung sein. Mit seinem Bruder Juris war Andris Šics im Herrendoppel einst unterwegs. Beide nahmen fünfmal an Olympischen Winterspielen teil, gewannen Silber 2010 in Vancouver und Bronze 2014 in Sotschi. Nach siebzehn Jahren beendete das lettische Doppel nach der Saison 2021/22 seine Karriere. Zur Saison 2022/23 übernahm Andris Šics als Nachfolge von Marie-Luise Rainer den Posten des Technischen Direktors Kunstbahn (TDK) beim Internationalen Rennrodel-Verband FIL. Als Delegationsleiter der lettischen Rodler war er Gast des am zweiten Maiwochenende ausgetragenen 43. Internationalen FIL-Sommerrodelcups an der Plasterennrodelbahn am Zwickauer Westsachsenstadion und stellte sich einigen Fragen zu den kommenden Olympischen Rodelwettbewerben auf der neuen Bahn inCortina d´Ampezzo.
Ist es der erste Besuch in Zwickau und welchen Eindruck hinterlässt die Bahn als Trainings- und Wettkampfort?
Šics: Einfach super! Respekt, eine derartige Anlage gebaut zu haben und so in Schuss zu halten. Davon müsste es mehrere geben, auch wenn dann das Alleinstellungsmerkmal der Zwickauer wegfiele.
Zur Aufgabe bei der FIL. Welchen Vorteil hat es, als ehemalig Aktiver jetzt als TDK zu arbeiten?
Šics: Einen sehr großen. Ich bin kein Athlet mehr, denke aber immer noch wie einer. So kann ich besser dafür sorgen, dass alle die gleichen Möglichkeiten haben.
Wo gibt es konkrete Entwicklungsmöglichkeiten im Kunstbahnrennrodelsport?
Šics: In der Nachhaltigkeit. Was in Deutschland schon immer gegolten hat, wird jetzt generell zur Vorschrift: Gerodelt werden darf auf Kunsteisbahnen erst ab dem 1. November.
In neun Monaten sind die Augen auf die Bob- und Rodelbahn in Cortina d´Ampezzo gerichtet. Entspricht sie den Vorstellungen der FIL?
Šics: Die Pre-Homologierung, also Vorabnahme der Strecke im März 2025 ist gut ausgefallen. Der Vorsitzende der FIL-Bahnbaukommission Markus Aschauer ist ständig vor Ort, so dass jetzt bereits gesagt werden kann: Die Bahn ist in der Bauausführung und späteren Nutzung nachhaltig. Bestes Beispiel sind die nicht überhöhten Kurven. Leichter zu bauen, weniger notwendiges Eis.
Überall heißt´s sparen, sparen, sparen. Aus für den Bahnbau veranschlagten 82 Millionen Euro sind 120 Millionen Euro geworden. Konnte da die FIL nicht für eine bessere Lösung sorgen?
Šics: Da bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner. Italien hat die Ausschreibung damals gewonnen und hat die Chance genutzt, eine Bahn auch für zukünftige internationale Wettbewerbe zu bauen. Die FIL hat, wie ich bereits erwähnte, auf deren Nachhaltigkeit eingewirkt.
Was niemand hofft: Sollte es allerdings doch noch Probleme mit der Bahn geben, war Lake Placid als Ausweichort im Gespräch. Warum nicht Bahnen in Österreich oder Deutschland?
Šics: Auch da bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner. Aber ich weiß, dass die Ausweichvariante USA hinten dran stand und steht. Europa und natürlich Österreich oder Deutschland wären priorisiert. Aber toi, toi, toi, es läuft alles planmäßig.
Mit 1650 Meter Wettkampflänge und 16 Kurven wird sich die neue Bahn an der oberen Grenze der „Spitzenbahnen“ bewegen. Was sind die Tücken der Bahn?
Šics: Sie wird auf alle Fälle mit Whistler, Lillehammer, Altenberg oder Nagano mithalten können. Sie wird für die Athleten viel Technikarbeit erfordern, keinen Kreisel aber vier Labyrinths haben. Knackpunkte könnten die Kurven acht bis zehn bilden. Sie wird schnell und sicher sein.
Wird es im Vorab von Olympia bereits Wettbewerbe auf der neuen Bahn geben?
Šics: Ende Oktober wird es Trainingstage geben, an denen für jeden dreißig Läufe vorgesehen sind. Einen ersten Wettbewerb wird es vom 24. bis 30. November geben. Bis dahin wird auch die Infrastruktur rund um das Objekt fertig sein.
Vor sportlichen Großereignissen werden oft neue Regelungen eingeführt. Und für Cortina?
Šics: Wird es keine neuen Regelungen geben. Aber danach zur WM 2027 in Igls sollen standardisierte Maße wie einheitliche Bohrungen einen Tausch von Teilen, diese Vereinheitlichungen gleiche Bedingungen für alle Starter ermöglichen.
Die Leistungsdichte ist immer noch eine 2-Klassen-Gesellschaft. Was kann die FIL dagegen unternehmen?
Šics: Richtig. Das Knowhow ist noch zu unterschiedlich. In Arbeit ist bereits eine Art Taschenbuch, ein Lexikon, an dem erfahrene Leute aus Österreich, Deutschland, Italien und den USA mitarbeiten. Auch soll es internationale Foren geben, in denen gewisse Trainingsmethoden erläutert werden, (lacht) keine entscheidenden Kniffe, um das Niveau anzugleichen. Dann werden die Wettkämpfe auch interessanter und spannender werden.
Welcher Rolle werden die lettischen Bob- und Rodelsportler in Cortina spielen?
Šics: Dazu sage ich nichts. Nur: Am Start sind alle gleich! Außenseiter und Favoriten. Alle haben gleiche Chancen. Bekanntlich entscheiden dann Tausendstelsekunden. Vielleicht auch für ein noch relativ unbeschriebenes Blatt.
Viele bemängeln, dass die Austragungsorte zu weit auseinander liegen?
Šics: Olympischer Gedanke hin oder her, dass sich alle Sportler zusammenfinden, austauschen können. Ich war fünfmal bei Olympia und weiß: Alle Sportler sind total auf ihren Wettkampf fokussiert. Da bleibt keine Zeit fürs Zuschauen anderer Sportarten. Danach geht´s meist mit der Delegation zurück nach Hause.
Sollten russische Sportler wieder dabei sein?
Šics: Nur, wenn der Krieg zu Ende und der Frieden gesichert ist. Das sollte übrigens für alle Aggressoren gelten.