Traditionspflege Zwickauer Industriegeschichte
Zwickau feierte 2018 sein Neunhundertjähriges. Kernpunkte der Festwoche war die Erinnerung an die Tradition als Automobil- und Robert-Schumann-Stadt. Nicht nur dabei wurde vergessen oder in den Hintergrund geschoben: Zwickau war einst auch Tuchmacher-, Seiler- und vor allem Bergbaustadt. Doch auch die beginnend mit dem 14. bzw. 16. Jahrhundert in Zwickau etablierten Gewerke der Bierbrauerei und der Buchdruckkunst oder der später folgenden Grubenleuchten- und Batterieherstellung sollten nicht unerwähnt sein.
Reichen daher ein absolut tolles August-Horch-Museum und ein Robert-Schumann-Haus? Reichen ein paar verstreut stehende Denkmäler, die an den Bergbau erinnern sollen? Weiß jemand oder wird irgendwie-wo daran erinnert, dass es hier eine vor sich hin dümpelnde in Deutschland einmalig noch vorhandene Bobinetweberei gibt, der Drei- und Vierfarbdruck oder die Sicherheitsgrubenleuchte in Zwickau erfundene wurden? Auch der Wasserturm aus dem ehemaligen RAW und die Geschichte dieses einstigen Großbetriebs samt dessen Container-Spezial-Fertigung und der dort entwickelte deutschlandweit einzige Antriebs-Achsen-Schleifautomat für Dampfloks hätten in einem Museum der Zwickauer Industriegeschichte ein gutes und vor allem verdientes Zuhause!
Darum wird es eigentlich endlich Zeit, nicht nur diesen prägenden Industriezweigen und Erfindungen eine gemeinsame Heimstätte zu geben, die zum einstigen Reichtum der Stadt beigetragen und sie sogar über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht haben. Ein passendes Areal bietet der ehemalige IVer-Schacht des Martin-Hoop-Werkes. Zumal sich der unter Denkmalschutz stehende Klinkerbau des einstigen 1920 errichteten Morgensternschachts nicht nur als zentrale Anlage, sondern auch als weithin sichtbares Gebäude und Orientierungspunkt empfiehlt. Nicht zuletzt auch durch den nebenstehenden beidseitig mit Graffiti versehenen sechzig Meter hohen Förderturm aus dem Jahr 1959.
Eine Initiative (Industrie.Kultur.Ost) will den Viererschacht an der Grenze zu Mülsen, dessen Kultursaal durch einen Dacheinsturz schwer beschädigt ist, retten und sucht nach einem finanzierbaren nachhaltigen Konzept. Die Stadt zeigt sich nicht abgeneigt, dieses Vorhaben mit ihren bescheidenen Mitteln zu unterstützen. Hoffentlich nicht erst, wenn der Zahn der Zeit soweit an den Objekten / dem Areal genagt hat, bis es sich aufgrund der noch, besser gesagt nicht mehr vorhandenen Substanz erledigt hat. Gut oder notwendig Ding hat in Zwickau bekanntlich sehr sehr lange Weil (siehe Bau einer Großsporthalle).
Vielleicht finden sich ja (finanziell gut gestellte) Zwickauer, die diese Idee unterstützen, vorangehend ein Crowdfunding initiieren, um das Areal aufzukaufen und aufzubauen, Exponate zu organisieren… Vielleicht lässt auch der Berliner Privateigentümer des Grundstücks mit sich reden und geht als Gönner bzw. eventuell mit „symbolischem Verkaufspreis“ in die Annalen der Stadtgeschichte ein?! Zumindest müsste sich die Stadt in ihrer eigenen Selbstwahrnehmung zum Bergbau eindeutig und klarer positionieren und nicht wie in den 80er Jahren das Bergbaumuseums nach Oelsnitz „abgeben“ oder sich wie jüngst aus der „Montanregion Erzgebirge-Krusnohori“ beleidigt herausschleichen, weil jemandem im Rathaus der Welterbetitel nicht gefallen hat. So diese Position der Stadt positiv zur Bergbau- und generell zur Industrie-Tradition real ist, liegen in irgendeiner EU-Schublade sicher auch ein paar Euro Fördermittel.
Lange gewartet sollte damit allerdings nicht mehr. Denn das Geld wird nicht nur in der EU für derartige Projekte knapper. Auch die wenigen Menschen, die noch über das Wie, Wo, Wann und Warum in den betroffenen Industriezweigen Wissenswertes berichten können und möglicherweise so manchen Schatz fürs Museum in petto hätten, leben nicht ewig.