„Der Sport ist eigentlich die größte Schule, die man haben kann.“
Wenn sich ein Wettkampfresultat bis dato auf Platz vier der ewigen Weltbestenliste einsortiert, sie je zwei Olympiasiege und Weltmeistertitel erringen konnte, viermal Europameisterin in Serie wurde, als Weltrekordlerin 409mal über 7 Meter weit sprang, damit die erfolgreichste Weitspringerin aller Zeiten ist, dann zählt Heike Drechsler unumstritten zu den wirklich ganz ganz Großen der Leichtathletik. Sie war, eingeladen von Volkhardt Kramer und seiner Sport-Marketing-Agentur, Ehrengast auf der Vogtland-Sport-Gala 2025. Die gelernte Optik-Feinmechanikerin und studierte Pädagogin eroberte im Nu die Sympathien des Publikums und nahm die Auszeichnung der Ehrenamtler vor. Zudem hatte sie Zeit, über (ihren) Sport im Allgemeinen und Besonderen zu reden.
Bereits mit Zwölf ins Internat mit der Begründung: „Ich war mit meinen Freunden zusammen, das war entscheidend!“ Fehlt vielen damit aus heutiger Sicht ein wichtiger Aspekt, weil wenn, es meist nur eine(r) in ein entsprechendes Leistungszentrum schafft?
Drechsler: Das glaube ich so nicht. Eher, dass vielen die dringend notwenige Leidenschaft fehlt. Und es fehlt natürlich auch die ebenso notwendige Konkurrenz vor der unmittelbaren Haustür, um dann mit Freunden gemeinsam größere Ziele angehen zu können.
Mit 7,17 m hältst du immer noch den Schulrekord in Jena, was 2024 bei Olympia in Paris sogar zu Gold gereicht hätte. Von deiner Bestmarke 7,48 m aus dem Jahr 1988 ganz zu schweigen. Ist das Leistungsniveau gesunken oder lediglich nicht abrufbar?
Drechsler: Mal eben über sieben Meter springen, ist keine alltägliche Sache. Da muss viel zusammenpassen. Wetter, Anlage, Tagesform… Darüber hinaus muss es gelingen, sich über diese Faktoren hinaus selber maximal puschen zu können, ebenbürtige Mitstreiter an seiner Seite zu haben und die sehr früh erlernte und kontinuierlich entwickelte gute Technik abzurufen. Das sind nur einige Punkte.
Ebenso wie eine super Anlaufgeschwindigkeit?
Drechsler: Logisch! Ohne Speed keine Weite! Meines Erachtens wird zu früh spezialisiert. In entsprechend ausgewählten Wettbewerben sollten wichtige Voraussetzungen für die eigentlich ausgeübte Sportart unter Wettkampfbedingungen entwickelt und gefestigt werden.
Wie du über 100 und 200 Meter?
Drechsler: Genau das meine ich. Ich will keinesfalls prahlen. Aber ich konnte im für den Anlauf wichtigen Sprint mit Spezialistinnen international mithalten.
Ist heute der Druck zu groß, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt die optimale Leistung abzurufen?
Drechsler: Es fehlt keinesfalls an der richtigen Motivation. Die Frage stellt sich mir: Wo hab´ ich Erfolg? Wo ziehe ich positive Energie? Wo muss ich meine Komfortzone verlassen? Wo kann ich von Spitzensportlern lernen?
Und die Medien?
Drechsler: Ausblenden! Auf sich konzentrieren. (lacht herzhaft) Du weißt doch noch: Du hast ja ein Ziel vor den Augen.
Die Sportförderung in der DDR ist ein Traum von gestern. Wie kann das mit Erfolgen verbundene Prinzip annähernd wieder erreicht werden?
Drechsler: Wir brauchen uns über den mageren Medaillenspiegel bei vergangenen internationalen Leichtathletikwettkämpfen nicht wundern. Der spätere Erfolg beginnt ganz im Kleinen. In den Schulen, wo heute zuerst der Sportunterricht ausfällt, bei gezielten Sichtungen und Förderungen, bei den oft ehrenamtlichen Trainern, wo die Gelder gestrichen werden… Dabei ist der Sport eigentlich die größte Schule, die man haben kann. Für die allgemeine bis ins Alter wirkende Fitness und für viele charakterbildende Eigenschaften.
Sport-Events gibt es zahlreiche. Was verfolgst du? Auch Wintersport? Was machst du selber noch?
Drechsler: Sagen wir so: (lacht) Ich bin ein Sportgogel! Ich schaue mir alles an, vom Dart bis Wasserball. Sportzuschauer wollen Duelle sehen, wollen, wenn möglich, live dabei sein und anfeuern, wollen Emotionen sehen und zeigen. Das fasziniert mich bis heute. Selber gehe ich immer noch gerne laufen, gelegentlich mit den Oldies vom TSC Berlin.
Wenn jemand gewinnt, muss auch jemand verlieren. Das darf neuerdings nicht mehr sein. Die Bundesjugendspiele gibt es aus pädagogischer Sicht nur noch als bewegungsorientierten Wettbewerb.Ist das ein mittlerweile falsches, eigentlich kein echtes Leistungsprinzip mehr? Wird der Nachwuchs nur noch verhätschelt?
Drechsler: Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Der sollte nicht unterbunden werden. Sie sollten alles lernen. Turnen, Laufen, Springen, Werfen… Koordination, Ausdauer… Auch Verlieren lernen, um besser werden zu wollen. Nochmal: Der Sport ist die größte Schule, die man haben kann.
Mal etwas größer gedacht und gefragt: Hat der Föderalismus zum Beispiel in punkto Schulsystem und somit leider auch im Sport „ausgedient“?
Drechsler: Das ist eigentlich ein ganz anderes Thema und sicherlich reformbedürftig, dass alle überall das Gleiche lernen. Aber gern noch einmal: Sport, also ein fitter Körper, stärkt auch den Geist, die Konzentration in Deutsch und Mathe.
Deutschland scheint mit dem durchaus vorhandenen Geld Probleme beim richtigen Ausgeben zu haben, hat aber ansonsten ausreichend gute Sportstätten. Trotzdem oder gerade deshalb: Sollten Olympische Spiele in Deutschland ausgetragen werden, egal ob Sommer oder Winter? Oder klappt das nur bei Großereignissen, wenn das Sportgerät rund ist?
Drechsler: Es scheint so. Zu Olympia gibt´s glaube ich bei den Aktiven und Sportinteressierten des Landes keine zwei Meinungen – selbstverständlich! Wir schauen neidisch nach London oder Paris, fragen: Können wir das auch? Selbstverständlich! Allerdings nur im Miteinander, einem guten Sicherheitskonzept, das auch nicht neu erfunden werden muss, und etwas Mut. Gut organisiert könnte dabei aus vorab genannten Voraussetzungen sogar mehr reinkommen, als es kostet.
Das war ein sehr herzerfrischendes Gespräch, danke! Und weiterhin alles Gute sowie viele spannende Sport-Live-Erlebnisse, vielleicht bald bei Olympia in Deutschland!