Windmühlen, Perlen und Fjord-Strände

Mallorca III – Osttour

Mallorca verdankt seine fast 6000jährige Geschichte seiner strategisch günstigen Lage im westlichen Mittelmeer. Eroberer gaben sich die Klinke in die Hand. Zahlreiche Häfen sprechen noch heute in ihrer Gestaltung eine eigene Sprache. Einflüsse vieler verschiedener Kulturen sind bis in die Gegenwart spürbar.

Neben Cala Ratjada zeigen dies an der Ostküste Sa Costa de Pins, Cala Millor, Porto Cristo, Porto Colom, Cala d´Or oder Cala Figuera. Aber auch das unmittelbare Hinterland entlang der Ostküste hat Sehenswertes zu bieten.

In Capdepera führt im ersten Kreisverkehr geradeaus fahrend eine Straße (MA4040) Richtung Son Servera. Es präsentieren sich alsbald die typischen mallorquinischen Windmühlen. Die sich – so in Betrieb – munter im Winde drehenden Räder sind das Wahrzeichen des ländlichen Mallorcas. Sie helfen, das für die Landwirtschaft so wichtige Grundwasser zu fördern. Dank des auch im Winter so milden Klimas werden so bis zu drei Ernten ermöglicht. Größere ausgediente Exemplare mit angeschlossenem Gehöft dienen teils als Restaurants oder Museen.

In Son Servera, ein eigentlich uninteressanter Ort, gute drei Kilometer landeinwärts hinter Cala Millor und Cala Bona gelegen, lädt die unvollendete Kirche als ungewöhnlicher Veranstaltungsort ein. Die nur scheinbare Ruine ist ein Unikum: Ihr Bau wurde 1906 begonnen und 25 Jahre später aus Geldmangel aufgegeben. Das fast fertige, aber dachlose Hauptschiff dient seither auch als Freiluftbühne.

Bereits etwa zwei Kilometer vor Son Servera geht es links ab (MA4032) zu einer Küstenstraße. Nach links geht´s bis zum Sap del Pinar. Rechts geht es fast zehn Kilometer, wenn auch etwas verwinkelt, bis nach Cala Morlanda. Je nach Lust und Zugänglichkeit kann eine Stippvisite in romantischen Buchten bis hin nach Cala Millor unternommen werden. Der gepflegte Ort ist mit Cala Bona das größte touristische Zentrum der Ostküste. Direkt an der neu gestalteten, mit Grünanlagen kombinierten Promenade reihen sich unzählige Restaurants, Bars und Geschäfte aneinander.

Die Bucht von Artà begrenzt im Süden eine 200 Hektar große Halbinsel, hinter der sich Sa Coma, S´illot und Morlanda ineinander übergehen. Auf der Halbinsel prankt ein markanter Verteidigungsturm aus dem 17. Jahrhundert. Zwischen Dünen und Gebüsch schlängeln sich Sandwege, es duftet nach Wacholder und Meer. Das Castell de sa Punta de n’Amer gehört zu einer Kette von Wachtürmen, die Mallorca früher vor Piratenüberfällen schützen sollten. Im Inneren gibt es u.a. eine Landkarte mit Bildern von allen Türmen und Turmruinen rund um die Insel sowie einige antike Waffen zu sehen. Das dort befindliche Gartenrestaurant gilt für Mallorca-Kenner als Geheimtipp.

Längst kein Geheimtipp sind die Splash-World oder der La Reservaund eine Fahrt durch den Auto-Safari-Reserva-Africana. Splash World und La Reserva, gehören zu den beliebten Wasserparks auf Mallorca, trumpfen mit großen Rutschen, verschiedene Schwimmbecken und anderen Aktionen, Spaß für die ganze Familie. Ganz anders im Safari-Park. Auf etwa 40 Hektar können per Auto, einer Bimmelbahn oder Bus Tiere aus Afrika wie Gnus, Giraffen, Gazellen, Nashörner, Strauße, Löwen, Affen, Elefanten, Nilpferde und Krokodile freilaufend beobachtet werden. Anhalten ist gestattet, aber auf keinen Fall Aussteigen.

Die Zivilisation ist spätestens in Porto Cristo wieder erreicht. Die einstige Hafenstadt des etwa zehn Kilometer landeinwärts liegenden Manacor zieht heuer hauptsächlich wegen den zwei Tropfsteinhöhlen, Coves del Drac und Coves dels Hams, tausende Besucher an.

Coves del Drac – die Drachenhöhle – zählt zu den größten und eindrucksvollsten Europas. Neben z.T. meterdicken Säulen aus Stalaktiten und Stalakmiten befindet sich im Inneren der nach seinem Entdecker benannte „Lago Martel“, der mit 177 Meter Länge und 40 Meter Breite einer der größten unterirdischen Seen der Welt ist. Am Ende des Rundgangs wird auf mehreren beleuchteten Ruderbooten ein klassisches Konzert auf dem farbig angestrahlten See aufgeführt. Ist der Andrang nicht zu groß, sollte die Möglichkeit genutzt werden, mit einem der Ruderboote über den See zum Ausgang der Höhle überzusetzen. Ist bereits am Eingang ein Riesenpulk von Besuchern zu erspähen, gibt´s eine Alternative. Nicht minder schön ist die Tropfsteinhöhle Coves dels Hams. Während des Rundgangs hier, der durch insgesamt 14 Säle führt, sind die teilweise hakenförmigen Stalaktiten zu besichtigen, denen die Höhlen ihren Namen verdanken (Hams = Angelhaken). Auch hier spielen Musiker auf einem Boot, das über den unterirdischen See gleitet, klassische Musik.

Noch mehr Höhle gibt´s gen Süden bei Son Forteza Vell (Coves des Pirata – eine in einer Höhle errichteten Gaststätte) und Cala Magraner (Cava del Pilar).

Weder mit Höhlen noch großartigen touristischen Höhepunkten lockt dennoch Manacor seine Besucher. Es ist jeher ein beliebtes Ausflugsziel vor allem für diejenigen, die im Urlaub gern etwas Geld ausgeben wollen. Vor lauter Staunen über Form und Herstellung, vor allem aber über den Preis, haben sie schließlich die „Hand am Herz“, was „man a cor“ übersetzt bedeutet. In Manacor ist die Kunstperlenfabrikation zu Hause, die im Jahre 2001 durch ein falsches Management fast vor dem Ruin stand. Ebenso sind die Möbelindustrie und das Optikerhandwerk stark vertreten. Viele Optikerläden offerieren mit Discountpreisen für Gestelle und stellen innerhalb einer Stunde erstaunlich preiswerte Brillengläser her.

Zurück zu den Perlen. Drei Unternehmen konkurrieren auf Mallorca mit ihren geheimen Verfahren zur Imitierung der Zuchtperlen. Die größte von ihnen ist Perlas Majórica. Hier kann der Produktionsablauf vom Kern der späteren Perle über die verschiedenen Zwischenstadien der Anreicherung mit Perlmutt-Essenzen bis zur Endkontrolle der fertigen Stücke bestens verfolgt werden. Das Geheimnis bleibt aber gewahrt:

Die Herstellungsmethode der Majórica-Perlen geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Dabei werden auf einen Kern aus Kunststoff systematisch Schichten aus Fischschuppenessenzen aufgetragen, die dann eine Hülle bilden, die von der Struktur her einer echten Perle sehr nahekommt. Dabei handelt es sich keinesfalls um billige Kunstperlen. Aufgrund der aufwendigen Herstellungsmethode und der fast gleichen Beschaffenheit wie die Originale, sind diese Perlen auch fast so teuer wie ihre Vorbilder aus der Natur.

Einen wirklich zauberhaften Anblick bietet die dominierende gotische Pfarrkirche „Dolores de Nostra Senyora“ aus dem 14. Jahrhundert. Die Kirche steht auf dem Fundament einer Moschee und die Fassadentürme sind sogar höher, als die der Kathedrale von Palma. Besonders abends, wenn sie angestrahlt wird, erinnert sie ein wenig an die Kathedrale in Barcelona. Und Manacor besitzt seit Mai 2003 einen neuen Bahnhof, von dem wieder ein Zug über Sineu nach Inca verkehrt.

Mit dem Auto geht es auf der C714 weiter nach Felanitx. Für mallorquinische Begriffe schon fast eine Stadt – wohlhabend und weltoffen. Reste von 25 Getreidewindmühlen zeugen vom Zentrum der Landwirtschaft. Noch heute werden hier Aprikosen, Orangen und Wein angebaut. Letzterer wird besonders zu Santa Margalida (20. Juli) und Sant Agusti (28. August) feilgeboten. Beide Feste dauern oft mehrere Tage. Dann ist auch die beeindruckende Freitreppe der Pfarrkirche Sant Miquel und der nahe gelegene Margarethenbrunnen, dessen Waser einer Legende nach nie versiegt und als Symbol ewiger Liebe gilt, dicht umlagert. Begehrt sind auch die für Felanitx typischen Azulejos – von den Arabern übernommene Herstellung handbemalter, meist blauer Fliesen. Diese zieren nicht nur die Stadtpaläste in Palma. Nach Italien exportiert, erhielten sie dort ihren Namen, der sie weltberühmt machte: Majolika. Weltruhm habe der Ort aber auch durch Christoph Columbus, der angeblich hier geboren sein soll. „Sein“ Hafen – Portocolom – hat es trotz seiner großen geschützten Bucht bislang nur zu einem unwesentlichen Tourismusort gebracht. In dieser Bucht fehlt es nicht nur an nennenswerten Badestränden, sondern flach auslaufende Ufer sorgen in einigen Ecken leider auch für unattraktives Brackwasser. Ein anderes Kuriosum befindet sich zirka 1,5 Kilometer außerhalb von Felanitx. Der Klosterberg von Sant Salvador bietet einen Wallfahrtsort besonderer Art. Wo einst Mönche der Congregacio Sant Antoni i Sant Pau lebten, findet der Tourist heute eine Herberge (Übernachtungsmöglichkeiten in einfachen Zellen), ein Radfahrermuseum und eine Kneipe in einem. Die noch vorhandene Klosterkirche präsentiert sich als schmuckloser Bau mit einer Madonnenstatue und einem gotischen Altaraufsatz aus Alabaster, der einzigen Steinschneidearbeit der Insel. Auf dem Berg gegenüber – die Ruine des Castell de Santueri. Der Schlüssel für das Castell ist auf dem Bauernhof kurz vor dem Eingang erhältlich. Da es keine festen Öffnungszeiten gibt, sollte ob des Abenteuers und weiten Blicks die Mühe des Aufstiegs auf sich genommen werden.

Bergab der Ortsbeschilderung geht es nach Cala d’Or. Im Zentralbereich eines Ferienortes soll es wohl dort die erste richtige Fußgängerzone auf Mallorca gegeben haben. Mit der ersten Urbanisation um die romantische Goldbucht in den sechziger Jahren entstandene im schicken mediterranen Stil Kneipen, Open-air-Terrassen und Boutiquen. Noch heute sorgen drumherum Einbahnstraßen und zunehmend verkehrsberuhigte Enge für wenig und wenn gebremsten Autoverkehr. Somit ist für ungefährdetes Flanieren, Sehen und Gesehenwerden entlang der zahlreichen Cafés und Gartenrestaurants gesorgt. Unverkennbar nach wie vor die Bevorzugung Cala d’Ors durch den gehobenen Mittelstand internationaler Mischung mit deutscher Mehrheit. Für dieses Klientel steht der Badespaß sicherlich nicht im Vordergrund. Lassen doch die schmalen Buchten und Fjorde, sehr engen und kleinen Badestrände an diesem Küstenabschnitt den weiten Blick aufs Meer oft gar nicht zu. Trotzdem hat der Massentourismus auch dort Einzug gehalten. Auf der küstennahen Straße geht es der untergehenden Sonne hinterher. Etwas schneller geht es auf der C714 über Felanitx wieder nach Menacor und Artà ins „heimische“ Cala Ratjada, das mit Cala d’Or auch ohne gehobenen Mittelstand konkurrieren kann.

Artikel teilen:

Facebook
WhatsApp

andere Artikel

Reise & Touristik

Mallorcas frommer Berg und Palma

Mallorca IV – Zentralsüdtour
Direkter Neid kommt nicht auf, wenn von den schönen Stränden im Süden von Mallorca die Rede ist. Mit Son Moll und Cala Guya hat Cala Ratjada schließlich selbst zwei vorzeigbare Strände zu bieten. Und quasi vor der Haustüre liegt die Bucht von Alcudia.
Doch westwärts vom Cap de Salinas, dem südlichsten Punkt der Insel, bis zur Hauptstadt nach Palma de Mallorca sollen die schönsten Strände von Mallorca sein – ob nun ruhig und einsam oder eher mit Trubel und tosendem Leben. Wer sich dieses Erlebnis sparen möchte, unternimmt einen Abstecher durch die Ebene mit Ziel Inselhauptstadt.

Weiterlesen »
Musik & Kultur

Eine berührende Stimme und gelebte Jazzgeschichte

Viel mehr als nur führende Jazzsängerin im Osten – Uschi Brüning
Ein bisschen fehlen die Worte, um den Umfang des musikalischen Wirkens zu beschreiben. Ein Versuch: Geboren 1947 in Leipzig. Von klein auf Begeisterung fürs Singen. Mit 17 Gitarristin, Bassistin und Sängerin in verschiedenen Amateurbands. Ausbildung zur Justizbeamtin und später als Justizsekretär tätig stets der Musik treu geblieben. 1970 dann der Wechsel ins Musik-Profilager. War es anfänglich noch Schlager, mit dem 1972 und dem Titel „Dein Name“ der

Weiterlesen »
Musik & Kultur

Sächsische Sprache und Kultur muss erhalten werden

Patriotin in social-media und auf der Bühne – Kristina vom Dorf
In Pass und Ausweis stehen zwar ein anderer Name, aber sie erlangte Bekanntheit unter einem anderen, einem „Künstlernamen“. Die ´87 Geborene wurde mit ihrem Anliegen bekannt, sich der Pflege der sächsischen Sprache und Kultur zu verpflichten. Die studierte Medientechnikerin avancierte nicht nur mit ihren „sächsischen Fachbüchern“, sondern darüber hinaus mit ihren Kurzvideos auf Instagram, TikTok und YouTube zum Social-Media-Star. Dort erläutert sie der Welt die sächsische Sprache

Weiterlesen »
error: Content is protected !!