Box-Legenden im Gespräch

Über verfehlte Sportpolitik, Weicheier und Medaillen-Bedeutung

Der Kraft- und Spielsportverein Zwickau (KSSV) hat sich seit Jahren als Boxclub einen Namen gemacht. Zu nennen sind dabei unter anderem die von ihm jährlich ausgetragenen zwei Turniere – im Frühjahr das Manfred-Hillmer-Gedächtnis-Turnier und im Herbst das Turnier um die Pokale der Stadt Zwickau.

Schon oft war dabei auch einstige Boxprominenz zu erleben. So 2017 der leider schon verstorbene dreifache WBC-Weltmeister im Supermittelgewicht Markus Beyer (der 2005 und 2006 in der Stadthalle Zwickau zweimal seinen WM-Titel verteidigen konnte) oder 2018 Dirk Dzemski, der Chefcoach des SES-Boxstalls und einstige NBA-Weltmeister im Mittelgewicht. 2023 waren gleich zwei einstige Größen des DDR-Boxsports beim Turnier um die Pokale der Stadt Zwickau an den Ringseilen zu Gast. In der Ecke des BC Wismut Gera standen keine Geringeren als der damalige Superschwergewichtler Ulli Kaden (zweifacher Europameister 1987 und 1989; Weltcupsieger 1987 sowie Olympia-Teilnehmer 1988 in Seoul – Viertelfinalaus gegen den späteren Goldmedaillengewinner Lennox Lewis) und der damalige im Halbmittel boxende Enrico Richter (WM-Silbermedaillengewinner 1986, Europameister und Weltcup-Sieger 1987).

Es gab viel zu erzählen.

Gibt es bestimmte Altersklassen, denen ihr eure Erfahrungen weitergebt?

Kaden: Nein, das geht quer durch alle Alters- und Gewichtsklassen. Wir machen das alles im Ehrenamt.

Die BSG Wismut Gera hat ja eine große Boxtradition. Lebt diese noch in dem Sinne?

Richter: Wir sind kein Club, sondern ein reiner Amateur-Verein, sind trotz Tradition und fleißiger Arbeit kein Olympiastützpunkt, kein Leistungs- oder Nachwuchszentrum, haben keinen Liga-Betrieb, zeigen uns sozusagen nur auf Turnieren. Da ist´s schwierig, in der Breite etwas aufzubauen

Gibt´s denn genügend Interesse für den Boxsport?

Kaden: Um erfolgreich zu werden, ist die interne Konkurrenz zu wenig vorhanden oder zu schwach.

Richter: Ehrlich gesagt: Es sind auch zu viele Weicheier unter den heutigen Heranwachsenden. Beim Boxen gibt´s nun mal das eine oder andere Veilchen, blutige Nasen. Das muss man wissen und abkönnen wollen.

Das klingt nicht nach rosigen Perspektiven für Geraer Boxer?

Kaden: Der Amateurbereich wird viel zu wenig ausgereizt. Da fehlen Gelder hinten und vorn. Das betrifft aber nicht nur Gera. Da müssten wir über die verfehlte Sportpolitik in diesem Land reden, was zu weit führen würde.

Richter: Du kannst am Ende, wenn alle Faktoren zusammenpassen, nur delegieren.

Im Prinzip müssen ja die Vereine, also ihr, die verfehlte Sportpolitik ausbaden?

Richter: Wenn in der Schule mangels Lehrer zuerst Sport- und Kunsterziehungsstunden ausfallen… (lacht) Der Junge, der zu uns kommt, muss nicht alles über Rembrandt wissen, aber zumindest was er war. Er sollte aber seinen Körper athletisch beherrschen können.

Kaden: Das liebe Geld macht alles kaputt, unten wie oben im gesamten Sport!

Wenn dann Biss und Fleiß doch stimmen, gelingt trotzdem nicht jedem Talent der Schritt, delegiert zu werden!

Kaden: Richtig. Auf diesem Weg werden leider auch viele hoffnungsvolle Jungs verheizt. Manche verlieren im entscheidenden Augenblick auch die Lust, gibt´s äußere Einflüsse wie Lehre oder Studium, die Freundin… Eh´s zum Geldverdienen mit diesem Sport kommt, ist´s eben ein langer mit vielen Entbehrungen gepflasterter Weg.

Richter: Wir können da nur mit unseren Erfahrungen dienen. Was die Jungs daraus machen, bewegt sich dann meist außerhalb unseres Einflusses.

Und welche Tipps sind das zum Beispiel?

Kaden: Sich sprichwörtlich kontinuierlich nach oben zu boxen. Sich bewähren und Kampfpraxis und damit Erfahrungen sammeln, bei Landes-, Europa- und Weltmeisterschaften im Amateurbereich, ehe es in den Profibereich geht.

Im Profibereich gibt SES doch einen ganz guten Eindruck ab?
Kaden: Weil er nach einem erfolgreichen Engagement im Amateur-Boxsport den Weg zu einem Profi-Boxstall gegangen ist. Dort weiß man immer noch, wie und woher der Hase läuft.

Richter: Aber auch hier wäre es wünschenswert, wenn es mit Universum und Sauerland wieder innerdeutsch eine gute Konkurrenz gäbe, um auch international wieder einmal den einen oder anderen Titel holen zu können.

Apropos Titel, Medaillen, Gürtel und Kränze mit Schleifen. „Leben“ die noch?
Kaden: Laut den Randfichten Medaillen ja, Gürtel nicht.

Richter: (lacht)Manchmal erfüllen sie den Zweck eines leckeren Knochens, den du einem Hund vor die Schnauze hältst. Bei einem hungrigen Boxtalent kann´s einen ungemeinen Motivationsschub geben.

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